Im Österreichischen gibt es schöne Wort goschat, das mit „frech“ nur unzureichend übersetzt ist. Am besten erklären kann den Begriff die 20-jährige Musikerin Sodl: Man muss sich einfach nur eins ihrer Konzerte anschauen, sich von ihrer explosiven Urgewalt mitreißen lassen. Sodl, die eigentlich Anja Sodnikar heißt, ist ein Rohdiamant, den hoffentlich niemals jemand zu schleifen versucht. Aber keine Gefahr: Sie würde das gar nicht zulassen.
„Die Nervosität, die andere Leute vor öffentlichen Auftritten verspüren, habe ich in meinem sonstigen Leben, nur nicht auf der Bühne“, sagt Sodl. Schon als Kind sei diese Wesensveränderung ihren Eltern aufgefallen, wenn sie vor Publikum Akkordeon gespielt habe. Wo andere Lampenfieber haben, fühlt Sodl sich wohler als irgendwo sonst: »Die Bühne ist mein Safe Space«, sagt sie.
Solche Kontraste sind überhaupt typisch für die Musik von Sodl, in der Viskosität und Intimität abgelöst werden von Konfrontation und gewaltigen Eruptionen. Zum Beispiel in der neuen Sodl -Single, „I’m A Woman“: Nach einer stupenden Country-Strophe mit Akustikgitarre, Geige, verhaltenen Bläsern kreischen plötzlich die Gitarren und wie aus dem Nichts bricht dieser Wahnsinnsrefrain aus Sodl heraus, mit dieser leicht angekratzten Stimme, die einen ordentlich durcheinander wirbelt und Herzregionen berührt, von denen man dachte, sie seien längst abgestorben.
Geboren im Salzkammergut, wächst Sodl in einer musikalischen Familie auf. Schon als Kind macht sie Musik, klimpert Melodien auf dem Klavier und lernt ab ihrem siebten Lebensjahr Akkordeon. „Musik war für mich schon immer die natürlichste Form des Ausdrucks“, sagt sie. Mit 15 beginnt Sodl zu singen und Gitarre zu spielen, bald darauf schreibt sie erste Songs. Geprägt haben sie vor allem Künstlerinnen wie Alice Phoebe Lou, Phoebe Bridgers und Fiona Apple, Jimi Hendrix ist ihr ewiger Held.
Mit 16 präsentiert Sodl einen Song im Programm des österreichischen Senders FM4, bucht eigene Konzerte, mit 18 zieht sie nach Wien, 2020 erscheint die Debüt-EP „Flowers on the Moon“, mit ihrer Geigerin Paulina Scholz wohnt sie praktischerweise in einer WG.
„Es war gleich klar: Wenn ich alles durch Musik ausdrücken möchte, was in mir ist, habe ich keine Zeit mehr für andere Sachen“, sagt Sodl. Mit ihrer Band, neben Scholz ist das Matthias Pfaffl am Schlagzeug, arbeitet sie aktuell im Eiltempo an neuen Songs, in denen stereotype Gender-Zuschreibungen durchbrochen werden, die Naturalismus und Erdverbundenheit mit Wut, Empowerment und aberwitzigen Melodien kombinieren.
Wir werden diese Songs zu hören bekommen. Einen nach dem anderen. „A secret garden in my womb, I won’t hide it anymore“, singt Sodl in „I’m A Woman“,
„I will speak my truth until my voice is sore“. Sodl ist gekommen, um zu bleiben.