“The most impressive songs usually reflect life experiences, and AVEC demonstrates that. That the young Austrian artist writes from the heart becomes clear in every verse and every refrain.” (Eurosonic Norderslaag Festival, Red.)
Die besten Lieder basieren nicht selten auf den besten Geschichten. Und die sind im besten Fall wahr: Seit 2015 AVECs erste EP “Heartbeats” erschienen ist, rüttelt die junge österreichische Musikerin gekonnt und gut am Bild dessen, was man über zutiefst ehrliche Popmusik zu wissen geglaubt hat.
Die erste, sehr erfolgreiche Single “Granny” hat den Weg zum jugendlich-melancholischen Debütalbum “What If We Never Forget” geebnet. Es wurde mit mehreren Nominierungen bei den Austrian Amadeus Music Awards (unter anderem “Künstlerin des Jahres” und “Best Sound”) belohnt: ein erstes, starkes Folkpop-Statement, reduziert, kraft- und eindrucksvoll. So eindrucksvoll, dass AVEC in weiterer Folge unter anderem Support-Slots für Zucchero, Sting oder The Tallest Man On Earth gespielt hat.
Und genau da hat sich ein schöner Kreis geschlossen: Gerade der Letztgenannte ist für die selten gute und schlichte Art, wie er nur mit Gitarre und Stimme ganze Welten heraufbeschwört, bekannt. Lieder nach geschichtenerzählender Folktradition, die AVEC als sehr junger Teenager für sich entdeckt hat: Musik war in ihrem Leben immer da, angefangen bei den sehr guten 80er-Jahre-Pop-Vorlieben ihrer Mutter bis zu den ersten musikalischen Schritten in der Schule, damals noch an der Geige. Und etwas später dann, die unverhoffte Entdeckung der eigenen, herausragenden Stimme.
Wie viele sehr gute Musiker*innen hat AVEC sich geweigert, Noten lesen zu lernen, und sich stattdessen anhand von Büchern und Youtube-Videos selbst beigebracht, ihre Stimme und die damals ersten Texte an der Gitarre zu begleiten. Taylor Swift (und ihr Song „Fifteen“) war es dann schließlich, die AVEC zum ersten Mal das Gefühl gab, dass das der eine, echte, wichtigste Lebenssinn sein kann. Nachdem sie erste Songs daheim mit ihrem Handy aufgenommen und auf Soundcloud hochgeladen hat, hat die Entdeckung nicht lang gedauert. Der Rest ist eine fabelhafte Geschichte.
Unähnlich vieler anderer hat es AVEC nicht vom oberösterreichischen Land sofort in die Stadt verschlagen, um da die große Karriere zu starten. Ein ruhiger Ort führt oft zu lauten Gedanken – das war für sie von Anfang an eine der wichtigsten Voraussetzungen zum Musik machen. Wie schon für die Aufnahmen zum ersten Album hat es die junge Musikerin deshalb auch gemeinsam mit ihrem besten Freund und stetem musikalischen Wegbegleiter Andreas Häuserer einmal mehr nach Irland verschlagen: Der Norden, so die Künstlerin, gibt ihr etwas, das sie sonst nirgends findet. Die Kälte, die Landschaft, ja, auch die Schafe: Es ist eine ursprüngliche, naturnahe, gute Einsamkeit, die AVEC von der windigen Küste mit hinein in ihr Schreiben und ihre Art, Geschichten zu erzählen, genommen hat. In Irland, in gemeinsamer Arbeit mit Produzent Tommy McLaughlin, ist schließlich auch das zweite Album “Heaven/Hell” (2018) entstanden. Mehr Kanten, mehr inhaltliche Klarheit, mehr Pop. Taylor Swift würde staunen.
AVEC tourt mittlerweile mit großer Liveband – und das von Frankreich bis Belgien, von Deutschland bis Portugal. Die “Heaven/Hell”-Tour war in Österreich gänzlich ausverkauft.
Gegipfelt hat alles schließlich dort, wo sich jährlich die neuesten, besten jungen Acts Europas versammeln: am Eurosonic Norderslaag Festival in Groningen, Niederlande. 2019 gewinnt AVEC ebenda in der Kategorie “Singer/Songwriter” bei den festivalintern verliehenen “Music Moves Europe Talent Awards”. Selbst in den für Live Konzerte mageren Jahren von Corona blieb sie durch ihre Singleveröffentlichungen wie dem berührenden „I Don’t Pray“ präsent. So wurde auch James Blunt auf sie aufmerksam. Der britische Superstar lud AVEC persönlich ein, ihn im Sommer 2022 auf Tour seiner The Stars Beneath My Feet Tour zu begleiten. Die Vollblutmusikerin ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und James Blunt schwärmte in der Folge von ihrer Live Show, wie es hieß.
Und auch das ist etwas, das die junge Musikerin jetzt noch verwundert: Sich selbst beschreibt sie als introvertiert, ja, rückblickend liebevoll als „Weirdo“. Als Außenseiterin, die nicht viele Freunde hatte, die gerne Klamotten ihrer geliebten Oma (ihr ist natürlich die erste Single „Granny“ gewidmet) getragen hat und trägt – und die es ganz sicher nicht gewollt hätte, so im Rampenlicht zu stehen wie jetzt. Dass die Musik einmal nicht nur erfüllendes Hobby, sondern der Beruf bzw. die Berufung wird, ist für AVEC nach wie vor die schönste, aber auch erstaunlichste Überraschung. Ihre beiden begonnenen Studien der Molekularbiowissenschaften und Lehramt Englisch/Geschichte hat sie dafür aber mehr als gerne auf Eis gelegt.
Aktuell verzeichnet sie mehr als 150 Millionen Streams – und das allein auf Spotify. In einer Zeit, in der es Einzigartigkeit braucht, um aus dem Meer an neuen Releases herauszustechen, macht AVEC alles richtig. Ihre Lieder sind realitätsnah und trotzdem Einladung zur Gedankenreise. Vor allem aber sind sie Wegbegleiter und safe space in einer Zeit, in der mental health kein unter den Tisch gekehrter Begriff mehr ist und sein darf. AVEC beschreibt die Beziehung zu ihren Songs selbst als „eine Art Hass-Liebe“, weil sie genau das ist: Aus dem eigenen Schmerz, den eigenen schweren Erfahrungen, die sie seit einigen Jahren auch in Therapie aufarbeitet, entsteht da Musik, die nicht nur der Musikerin selbst, sondern auch anderen weiterhelfen und Hoffnung geben soll.
In einer Welt, in der man gerade als junger, vegan lebender und politisch interessierter Mensch nicht umhin kann, sich zu positionieren, beschäftigen sich AVECs Lieder natürlich auch mit Fragen wie der, ob und wie man unsere Umwelt schützen kann. Gleichzeitig führen uns auf wunderbar kaleidoskopische Weise auch genau diese Lieder durch oft besungene, niemals alte Themen wie dieses seltsame Älterwerden; das Gefühl, nirgends dazuzugehören – und das vielleicht auch gar nicht zu wollen; und durch all die anderen leichten und schweren, immer kostbaren zwischenmenschlichen Begebenheiten, die den Zirkus Leben ausmachen.
Lieder, Intentionen, Künstler*Innen zu beschreiben, ist keine einfache Angelegenheit. Bei AVEC schon: Musik ist immer dann am besten, wenn sie nicht aus dem Wollen, sondern aus dem Müssen entsteht. Auch die aktuelle Single „Walls“ (VÖ 23.6.23) nimmt ihren Ausgang im persönlichen Erleben und offenen Wunden, um dann ganz allgemeine Fragen in zwischenmenschlichen Beziehungen anzusprechen: Die Mauern, die wir zum Schutz vor Verletzung und Ablehnung um uns errichten, werden schließlich zu einem Gefängnis. Und nur wir selbst sind in der Lage diese niederzureißen, damit wir neue Berührungen möglich machen.
„Walls“ bildet den emotionalen Höhepunkt einer Serie von Songs, die 2022 mit der Veröffentlichung von „Nothing To Me“ begonnen hat und jetzt finalisiert wird. Geschrieben in einer Zeit, die von Schicksalsschlägen und einer zerbrochenen Beziehung, die ihr Potenzial nie wirklich entfalten konnte, geprägt war, stehen Themen wie Verlust, Abschied, Trauer und Verlassenheit im Mittelpunkt dieser musikalischen Schaffensperiode, die mit der Veröffentlichung der EP „I feel alone these days“ (VÖ 14.7.23) auch ihren formalen Abschluss findet.